Die Brünnelkirche bei Ujest-Bischofstal

Dieser Ort hat mich durch meine ganze Kindheit und Jugend begleitet. In meinem oberschlesischen Zuhause hörte ich damit verbundene Geschichten und Sagen. Später durfte ich als Ministrant dorthin pilgern. Es war schön und selbstverständlich und damals wusste ich noch nicht, welchen goldenen Wert diese Erde hat. 
Vor den Toren des Städtchens Ujest  (das man auch Bischofstal und ab 1945 „Ujazd“ nennt) liegt die malerische Wallfahrtskirche Maria-Brunnen. Im Volksmund Maria-Brünnel oder Studzionka genannt.
Unterhalb präsentiere ich Texte von drei unterschiedlichen Autoren aus der oberschlesischen Presse der 1930er Jahre. Mitten drinnen findet man Bilder von damals und auch welche, die ich im April 2017 vor Ort gemacht habe.
Während dieses Besuches traf ich direkt bei der Brunnen-Kapelle eine 80-jährige Frau aus benachbartem Ehrenforst (Slawentzitz), mit der ich mich länger unterhalten durfte. Natürlich auf Deutsch, versteht sich. Ihre Kindheitserinnerungen und das einzigartig ausgesprochene Wort „Maria-Brünnel“ klingeln noch heute in meinen Ohren.

 

 


Beschreibung nach Prof. Dr. Alfons Nowack (1936)

Im fruchtbaren Tale der Klodnitz liegt die alte Bischofsstadt Ujest mit der hochgelegenen in einem alten Ringwalle errichteten St. Andreaskirche und dem Schloss. Von Nordwesten her grüßen die blauen Höhen des Chelmgebirges mit dem St. Annaberge die teils saatengrüne, teils dunkel bewaldete Ebene. Die Ujester Gegend ist nicht lange vor 1222, wahrscheinlich infolge einer Schenkung des Fürsten Kasimir ein Bestandteil des Breslauer Kirchenland geworden. Am 25. Mai 1223 vollzog sich im Chor der ehemaligen, vom Bischof Walter erbauten Kathedrale, jener bedeutsame Akt, durch welchen Bischof Laurentius von Breslau seinem Vogte Walter von Neiße gestattete, Ujest als Markt nach deutschem Rechte auszusetzen. Da der Bischof sich in dieser Urkunde einen Platz für den bischöflichen Hof in Ujest vorbehielt, ist jedenfalls bald nachher der Bau einer bischöflichen Kurie hier erfolgt, in der der bischöfliche Prokurator und auch der Bischof selbst bei seinen Besuchen im Ujester Halte Aufenthalt nahm. Im 13. Jahrhundert ist die Anwesenheit Breslauer Bischöfe in Ujest urkundlich mindestens fünfmal bezeugt. Im Jahre 1297 weilte hier Bischof Johannes Romka mit vier Hofkaplänen. Ujest war die Zentrale der bischöflichen Besitzungen in Oberschlesien und der Verwaltung der aus Oberschlesien zu entrichtenden Zehnten. Im Jahre 1524 veräußerte der Bischof endgültig den Halt Ujest. Der Glanz der bischöflichen Residenz scheint auch auf den Gottesdienst abgefärbt zu haben. Ein Sonntag Vormittag in der Pfarrkirche anno 1687 bot folgend. Bild:

Um 6 Uhr Matutinum und Laudes choraliter von zwei Vikaren und Kirchenbeamten gesungen, dann Officium beatae Mariae virginis in der
Marienkapelle, hierauf gesungene Frühmesse, deutsche und polnische Predigt, Prozession mit Asperges, Hochamt, jedesmal mit Instrumentalmusik. Auch an den Wochentagen wurde das Marienofficium nachmittags mit Vespern und Komplet persolviert, nachdem früh eine Choralmesse gesungen war. Später hat der Grundherr Nikolaus Freiherr von Kochtitzky die für das Deutschtum bedeutsame Stiftung gemacht, dem Pfarrer solle jährlich eine bestimmte Geldsumme und ein Schock Karpfen gegeben werden „auf dass die deutsche Predigt nicht untergehen möchte, weil durch die Deutschen die bürgerliche Ordnung und Polizei hat müssen gepflanzt werden, und weit Ujest unter deutsche Obrigkeit
gehöret. Es sollen vor und nach der deutschen Predigt deutsche approbierte Lieder gesungen und deutsche Christenlehre gehalten werden. Der Kantor solle über den Harmonien und allen Kirchegesängen fleißig seine Hand halten, damit nichts untergehe, dass er im Advent, zu Weihnachten und zu Ostern unter dem Offertorium immer deutsch singe und die Jungen in der Schule zum deutschen Gebet anhalte.

Den Glanz der Bischofsherrlichkeit und eines besonders feierlichen Gottesdienstes hat Ujest mit der Zeit allerdings eingebüßt. Ujest ist wieder in den Rang einer schlichten oberschlesischen Kleinstadt herabgesunken, hat aber seit der Mitte des 18. Jahrh. durch die Entstehung eines marianischen Warlfahrtskirchleins in seiner nächsten Umgebung mit dem eiskalten, kristallhellen Mariä Brunnen, eine neue Anziehungskraft erhalten. Pfarrer Schneider berichtete im Jahre 1825 dem Generalvikariat über die Verhältnisse der Feldkapelle Mariä Brunnen Folgendes:

Die Feldkapelle liegt auf einem zu diesem Behufe geschenkten Grundstücke ungefähr sechs Gewende von der Stadt Ujest entfernt; sie ist im Jahre 1749 durch die Bemühungen des damaligen Vikars Gregor Janas, durch die Beiträge und Untertützung der hiesigen Bürger und anderer Wohltäter entstanden, von Holz erbaut, mit einem Türmel ohne Glocke versehen, mit einem Zaun von Brettern und Pappeln umgeben und fasst ungefähr zweihundert Menschen. In der Kapelle befindet sich ein Altar mit sechs Leuchten, auf ihm ein schönes Bild der seligsten Jungfrau, neben ihr ein Brunnen, dessen Wasser unverkennbar mineralische  Teile enthält. Es findet in der Kapelle kein eigentlicher Gottesdienst statt. An den Tagen St. Marci et St. Floriani und an einem der Bittage wird die Prozession dahin geführt und nach dem Inhalte der vom Generalvikariats-Amt bestätigten Eleonore Fitznerschen Stiftung von 200 Reichstalern, an den Sonntagen vom 1. Mai bis zum 1. Oktober nach beendigten Vespern in der Pfarrkirche daselbst der Rosenkranz gesungen. Die Kapelle wurde seit der Erbauung stets sehr besucht. Die in der Pfarrkirche eingeführte Bruderschaft SS. Cordis Jesu veranlaßt den Konkurs vieler Fremden, die hier den Gottesdienst und dann auch die Kapelle besuchen. Die Eingepfarrten wohnen nicht nur der Absingung des fundierten Rosenkranzes fleißig bei, sondern begeben sich auch an anderen Tagen zum Gebete dorthin. Ihre schöne Lage, in einer sehr angenehmen Gegend zwischen üppigen Feldfluren hat an sich etwas Anziehendes, dass auch Reisende, da sie an der Landstraße liegt, hineintreten; sie ist vom Frühjahr an bis in den späten Herbst stets offen; auf dem Altar steht ein verschlossenes Opferkästchen, in welches die milden Gaben hineingelegt werden. Eine vereidete Wärterin bringt alle zehn Tage die Kasse zum Pfarrer. Die Einnahmen betrugen seit 1807-1817 drei bis sechs Reichstaler.

Pfarrer Schneider bat um die Genehmigung, die Kapelle zu benedizieren und im Sommer wöchentlich zweimal die hl. Messe darin zu lesen, sowie einmal im Jahre am 2. Juli öffentlichen Gottesdienst zu halten. Fürstbischof Emanuel von Schimonsky erteilte die Genehmigung dazu für fünf Jahre am 20. September 1826. Die hölzerne Kapelle war nach ihrem hundertjährigen Bebrande baufällig und ein Neubau dringend notwendig geworden.

Wie es scheint, ging auch hier die Anregung zum Bau des neuen Kirchleins von den Parochianen aus.

Am 30. Januar 1852 erschienen auf der Pfarrei Ujest drei Bürger, der Ratmann und Pfefferküchler Franz Mrozik, Tischlermeister Josef Dachnowski und Webermeister Josef Gojny und gaben den Wunsch zu erkennen, dass ein Neubau der Feldkapelle Mariä Brunnen ermöglicht werde, weil dies nicht allein zur Förderung der göttlichen Ehre sondern auch zum großen Nutzen der Stadt sein werde. Mrozik erklärte sich bereit, die nötigen Steine aus seinem Steinbruch zu Jeschona unentgeltlich zu liefern. Gojny war bereit ohne Entschädigung die Ziegeln auf seinem nahe liegenden Grundstück anfertigen zu lassen. Dachnowski verpflichtete sich zur unentgeltlichen Anfertigung dreier Altäre. Am 9. Dezember 1854 erklärte Seilermeister Johannes Roskosch sich bereit von seinen anstoßenden Grundstücke das notwendige Gelände abzutreten. Pfarrer Möser teilte der Gemeinde von der Kanzel den Wunsch, eine neue größere Kirche über dem Brunnen zu bauen mit, bat um Beiträge zu Ehren Gottes und zur Verherrlichung der heiligen Jungfrau Maria und teilte mit, dass bereits eine fromme Stiftung eine hl. Messe für einen Wohltäter gemacht worden sei. Dann ersuchte er den Architekten Alexis Langer, der später im Auftrage des Fürstbischofs Heinrich Förster die Michaeliskirche in Breslau baute, um Anfertigung einer Zeichnung für den Neubau. Langer übersandte dieselbe im Jahre 1856 dem Pfarramt mit einer tiefsinnigen mystischen Erklärung seines Entwurfes. Leider musste dieselbe, da die Unkosten sehr beträchtlich die Erwartungen des Bauherrn überstiegen, schließlich abgelehnt werden, obwohl die Genehmigung des Bischofs bereits vorlag. Karl Heinze aus Ujest wurde mit der Ausarbeitung eines neuen Planes betraut. Der Fürstbischöfliche Kommisearius Kania aus Ponischowitz legte im Jahre 1858 im Beisein einer großen Volksmenge den Grundstein zum neuen Gotteshause. Möser sagte den Pfarrkindern in seiner Anspreche:

Hier, in der ärmlichen Kapelle haben seit etwa hundert Jahren Tausende Trost und Hilfe bei Gott gesucht und durch Vermittlung der himmlischen Gnadenmutter Erhörung ihres Flehens gefunden. Welche Freude wird es uns sein, wenn uns Gott gnädig erleben lässt, dass wir einst einziehen in ein größeres, freundliches Heiligtum, um in schönen himmelanstrebenden Bäumen unsere Herzen zu erheben zum Vater der Barmherzigkeit und die Fürbitte der heiligen Gottesmutter zu erflehen.

Am 15. Mai 1861 war die Kirche den Bauteilen nach vollendet, sodass der Turmknopf, mit einer vorn Erbauer der Kirche, Pfarrer Möser verfassten Urkunde, aufgesetzt werden konnte. Der Bauherr wies bei dieser Feierlichkeit auf den Schutz Gottes und Mariens hin, dankte Gott dafür, dass der Bau ohne Unglück durchgeführt war und empfahl auch weiter das Werk dem göttlichen Schutze. Am 18. März 1862 gab Fürstbischof Heinrich dem Ortspfarrer den Auftrag zur Benediktion der Kirche ,da er selbst die Konsekration infolge anderweiten Berufsarbeiten nicht vornehmen könne und verlieh kraft der ihm vom Papst Pius IX. verliehenen außerordentlichen Fakultät den Besuchern der Kirche für den Sonntag nach dem 2. Juli und die darauffolgenden sieben Tage einen vollkommenen Ablass unter den gewöhnlichen Bedingungen. Man hat diesen Bau mit Recht ein Denkmal der Dankbarkeit und des Opfersinnes der Oberschlesier genannt, denn da es sich nicht um die Errichtung einer Bedürfniskirche handelte, war jede Aussicht auf Hilfe der Diözese von vornherein versagt worden, und deshalb mochte der Bauherr bei dem Beginn des großen Werkes wohl mit Recht zagen. Aber während des Baues strömten die Spenden von allen Seiten und so reichlich herbei, dass die Arbeit ohne Unterbrechung fortgeführt und glücklich beendet werden konnte.

Der ganze Bau kostete nach der Berechnung des Bauherrn achtzehntausend Taler. Fünftausend wurden dem Kapellenververmögen entnommenen, elftausend durch Opferspenden aufgebracht und zweitausend Taler harrten noch der Deckung. Im Jahre 1872 wurde die Kirche mit einem neuen gotischen Altar der fünfzehn kleine Gemälde der Rosenkranzgeheimnisse aufwies, aus der Kunstanstalt Mayer, geschmückt (Kosten 680 Taler). Ein schönes Glasfenster „Mariä Heimsuchung“ dient zugleich als Altarbild. Da Glocken St. Maria und St. Josef waren bereits 1865 beschafft und mit der Erlaubnis des Fürstbischofs benediziert worden. Auf dem Kirchplatze erbaute Pfarrer Möser aus dem Holze der alten Kirche ein Blockhaus für einen Einsiedler, der das Kirchlein bewachen und auch Ministrantendienste leisten sollte. Aul Empfehlung des Annaberger Franziskanerpaters Theobald meldete sich für diesen Posten der Tertiar Johannes Loch aus Chronstau, den im Frühjahr 1865 der Fürstbischof bestätigte. Der gegenwärtige Einsiedler betreut schon seit mehr als drei Dezennien die Brünnelkirche und begrüßt jeden Besucher mit den Worten: „Pieknie witamy“ (Schön willkommen).

Unter dem 6. März 1875 verlängerte der Fürstbischof in einem „Indultu oratorii publici pro sacello beate Mariae Virginis“ die früher nur für fünf Jahre eretilte Messlizenz für die Feldkirche bis zum Widerruf.

Erzpriester Rzehulka ließ 1905 das Kirchendach erneuern und die Umfriedung des Kirchhofs wiederherstellen. Im Weltkriege musste die Glocke St. Joseph im Juli 1917 abgegeben werden. Sie wurde eingeschmolzen und nach Beendigung des Krieges eine neue Glocke für 6540 RM durch Erzpriester Gerlich bestellt. Am 6. Juli 1924, anlässlich des 60-jährigen Bestehens der Kirche zelebrierte Weihbischof Valentin Wojciech hier ein feierlich Pontifikalamt. Auch unter Erzpriester Gerlich erfreute sich die Kirche tatkräftiger Förderung. Er ließ die Brunnenanlage und Kanalisation gründlich erneuern und eine Drainage anlegen, sodass das Wasser, welchem man Heilkraft gegen Augen- und Fieberkrankheiten beilegte, jetzt vollkommen sauber und hygienisch einwandfrei ist. 1931 wurden an den Türmen der Brünnelkirche umfassende Renovationsarbeiten ausgeführt. Beide Türme erhielten einen neuen Anstrich. Knopf und Kreuz wurden, da der obere Teil des Kaiserstuhles morsch geworden war und das Kreuz herabstürzen drohte, herabgenommen und neu vergoldet. Im Knopfe fand man die vom Pfarrer Möser, dem Bauherrn, 1861 hereingelegte Urkunde, in welcher Tischlermeister Franz Skrobek als größter Wohltäter und als opferwilliger Bauaufseher erwähnt wird. Im Jahre 1932 ließ Erzpriester Gerlich das Presbyterium der Kirche stilgemäß ausmalen und 1933 die hohen Mauergesimse, die herabzustürzen drohten, und das Kirchendach gründlich ausbessern.

Das Hauptfest in der Wallfahrtskirche Maria Brünnel trifft alljährlich auf den Sonntag nach Mariä Heimsuchung (2. Juli).

Am Sonnabend vorher ist eine hl. Messe, abends um 7 Uhr eine feierliche Vesperandacht. Am Sonntag geht die Prozession von der Pfarrkirche St Andreas um 9:30 Uhr Uhr ab, nach einer stillen hl. Messt ist alsdann eine polnische Predigt, die gewöhnlich von einem Franziskanerpater gehalten wird. Darauf beginnt ein feierliches Levitenamt mit polnischem Volksgesang. Nachmittag um 3 Uhr ist Vesperandacht und dann begibt sich die Prozession in die Stadtpfarrkirche, wo hl. Segen erteilt wird. Sämtliche Geistlichen des Dekanates aber auch andere sind anwesend. Beichtgelegenheit ist genügend vorhanden. Die Zahl der hl. Kommunionen beträgt etwa fünfhundert. Man schätzt die Zahl der Wallfahrer an diesem Tage auf zehntausend, die der 20.000. An diesem Tage herrscht ein Leben und Treiben bei der Kirche wie sonst nie. Am Tage des hl. Markus und den Bittagen gehen, wie sonst auch am Rosenkranzfeste Prozessionen aus Ujest nach der Brünnellkicrhe
Von den Gelöbnisprozessionen sei namentlich erwähnt die aus Kottulin und die am Sonnabend vor Mariä Heimsuchung eintreffende aus Klein Stein, die einen Weg von acht Stunden zurücklegen muss und in die Brünnelkirche die hl. Sakramente empfängt. Aber auch einzelne Pilger stellen sich fast täglich in der günstigen Jahreszeit hier ein zum Teil aus dem nahen Industriebezirk. Die Kirche ist tagsüber das ganze Jahr geöffnet. Das Allerheiligste befindet sich vom April bis Ende November in der Gnadenkapelle.

Von dem mit hohen Bäumen bestandenen Vorplatz betritt um das stimmungsvolle Gotteshaus, an welches linker Hand die Gnadenkapelle angebaut ist. Das Altarbild dieser Kapelle, eine Nachbildung der Gottesmutter von Tschenstochau, ist mit
vielen Perlen geschmückt und wird nur an großen Festtagen gezeigt. Gewöhnlich isz es durch ein anderes Merienbild verdeckt. Unter dem Altare befindet sich ein etwas vier Meter tiefer Schacht mit der Quelle. Das Wasser wird durch einen Kanal in eine mit einem Marienbilde geschmückte kleine Kapelle, die einige Meter von der Quelle entfernt liegt, gelietet. Mar steigt hier auf ein paar Stufen hinab, um das klar sprudelnde frische Wasser zu schöpfen.
Die Poesie eines sommerlichen Wallfahrtstages gab einem Besucher aus der Hüttengegend beim Scheiden von diesem romantischen Ort die Verse ein,

Es naht der Abend hell und rein,
Der Mond steht über’m Brünnelein.
Das Aveglöcklein mahet zur Ruh
Wir Pilger ziehn der Heimat zu.


Die Begegnung mit dem Einsiedler von Maria Brunnen von Georg Kell, 1936

Bei einer Motorradfahrt wurden wir zwischen Lohnia und Ujest von heftigem Gewitter überrascht. Da kein Haus in der Nähe zu erreichen war, das uns Schutz bieten konnte, fuhren wir bis zur Brünnel-Kirche. Mit freudiger Überraschung erblickten wir links im Kirchhofe unter Bäumen verborgen ein kleines Schrotholzhäuschen. Eifrig bemühten wir uns, in diesem Schutz zu finden. Beim Anklopfen öffnete uns ein greiser Mann, der uns Einlass gewährte.
Bereitwilligst bot er uns Stühle an und war über den fremden Besuch sehr erfreut. Er erzählte uns, dass er schon lange keinen Besuch gehabt habe, mit dem er Gedanken austauschen konnte. Wir fragten ihn nach dem Ursprung der Brünnel-Kirche. Er erzählte uns: Im Jahre 1749 sollte ein in Ujest angestellter Vikar Gregor Janas – der die Schreinerei als Nebenbeschäftigung betrieb, über der vom Volksglauben mit Heilkräften ausgestatteten Quelle eine kleine hölzerne Kapelle errichtet haben. In den vierziger Jahren des 17. Jahrhunderts soll, so erzählt er uns, das Gnadenbild des Wallfahrtsortes Tschenstochau beraubt worden sein. Viele andere Schätze, auch ein silberner Becher ist da abhanden gekommen, der nach, längerer Zeit im Maria-Brunnen wieder gefunden wurde… Von da ab wurden die Leute auf diese Quelle aufmerksam, schrieben ihr Heilkraft gegen Augenkrankheiten und Fieberleiden zu und begannen hierher zu wallfahrten. Dies gab dem Vikar Janas Veranlassung zum Bau der hölzernen Kapelle.

Einsiedler
Der Einsiedler von Maria-Brunnen

Am 2. August des Jahres 1802 soll ein hagelschweres Gewitter unter gewaltigem Sturme über Ujest dahingezogen sein. Als es über der Maria-Kapelle stand, hörte man plötzlich einen herrlichen, von prachtvoller Musik begleiteten Gesang. Der Sturm legte sich und das Gewitter zog, ohne Schaden angerichtet zu haben, weiter. Dies soll den damaligen evangelischen Gutsherrn von Groeling bewogen haben, seinen Arbeitern den 2. August zu einem Feiertage zu bestimmen. In den Jahren 1859-1861 wurde die Kapelle, welche aus Schrotholz erbaut war, abgebrochen und an derselben Stelle in gleicher Ausführung, massiv gebaut, die heutige Brünnel -Kirche errichtet. Die kleine Kapelle enthält über dem Brunnen einen kleinen, mit einem Bilde der hl. Jungfrau geschmückten Altar und gewährt ungefähr 100 Menschen Raum. Um den Wallfahrern die Möglichkeit, zu geben, sich von dem Heilwasser etwas mitnehmen zu können, wurde rechts der Kapelle ein Sammelbecken errichtet. Aus den Überresten der damaligen Schrotholzkapelle erbaute man das kleine Einsiedler-Häuschen. In diesem lebten vor Jahren Franziskaner, diesen war aber der Raum zu klein, auch scheuten sie hier die Wintermonate zu verleben, da die Kälte von außen nach innen zu sehr eindrang. Eine lange Zeit blieb dieses Häuschen unbewohnt. Heute bewohnt es der fast 75 Jahre alte Einsiedler. Er lebt hier schon 35 Jahre einsam und bescheiden, führt den Posten als Kirchendiener und erhält als Lohn, wie er sagte, ein Entgelt von „25 Zloty“ den Tag. Wir rechneten nach deutschem Gelde: ungefähr 12,50 Mark. Dieses schien uns unglaubwürdig. Wir sagten darauf:

Vater, wenn Sie auch im Leben noch nicht geschwindelt haben, so haben Sie uns aber diesmal belogen.

Er fing an zu lachen und fragte uns, warum wir ihm nicht glauben wollen… Nach einer kräftigen Priese Schnupftabak platzte er heraus:„

Hastchi, es ist doch so! 25 tscherwone Zloty den Tag. Ist das etwa viel? Wir haben ja nur noch rote Pfennige, die haben ihren Goldwert noch.

Einsiedelei
Die Einsiedelei

Also sahen wir, dass trotz des kleinen Einkommens der Greis seinen Humor besitzt. Neben dem Kirchendienerposten füllt er seine Zeit mit mühsamer Gartenarbeit aus, hat große Freude an Blumenzucht und Gemüsebau. Den Erlös hierfür verwendet er mit zu seinem Lebensunterhalt. Trotz seines kümmerlichen Daseins wurde er schon dreimal von Spitzbuben heimgesucht. In seiner Abwesenheit erbrachen sie seine Wohnstätte und entwendeten ihm Kleidungsstücke, die er sich sauer erstanden hatte. Um vor weiteren Einbrüchen verschont zu bleiben, schaffte er sich einen Wachhund an.

Nach mehrstündiger Unterhaltung rückte die Zeit zur Heimfahrt an. Inzwischen hatte das Gewitter nachgelassen und wir kannten bei schönem Wetter unseren Rückweg antreten. Mit einem freudigen Händedruck verabschiedeten wir uns von dem alten Einsiedler von Maria-Brunnen.


Beschreibung eines unbekannten Autors (1930er Jahre)

An einem Hügel des oberschlesischen Chelmhöhenzuges angelehnt, liegt
vor den Toren des siebenhundertjährigen Städtchens Ujest die Kirche Maria-Brunnen oder „Brünnelkirche“, wie der Volksmund sie nennt. Zwischen einer durch eisige Winterstürme gelichteten Baumgruppe schimmern die schlichtgotischen Architekturlinien des allseits bekannten und vielbesuchten Gotteshauses hindurch.
Ein schlanker Turmhelm krönt dieses reizvolle Bild, das jeden Wanderer, der sich
von Osten dem Städtchen nähert, gefangen nimmt. Nur ein ganz besonderes Ereignis kann diesen Bau bewirkt haben, denkt der Fremde, der sich nach einer Besichtigung mit der Geschichte der Kirche befasst.
Legendenhaft ist der Ursprung dieses im- Herzen unserer Heimatprovinz gelegenen Gnadenortes, an dem kein Annabergwallfahrer vorüberpilgert, ohne hier ein stilles Gebet verrichtet zu haben.

Vor etwa 200 Jahren erblickte ein Ujester Handwerksmeister, der auf der Peiskretschamer Landstraße seinem Heimatstädchen zuschritt, im leismurmelnden Quell eine lustig zwitschernde, wundersame Ente mit einem niegesehenen prächtigen Gefieder. Als er näher hinzutrat, da verschwand dieser seltene Vogel urplötzlich und ward nie wieder gesehen. Die Mär von dieser wundersamen Erscheinung drang noch am gleichen Tage bis in die kleinste Hütte der umliegenden Dörfer und Weiler, und von da immer weiter ins oberschlesische Land.

Ein weiteres Ereignis bekräftigte nur noch den Volksglauben an die Besonder­heit dieses Quells. Als nämlich das Ge­rücht von der schändlichen Beraubung des vielverehrten Tschenstochauer Gnaden­bildes in die Ujester Gegend drang, da erblickte man eines Tages in den vierziger Jahren des Friderikuszeitalters an der Oberfläche des klaren Quellwassers einen der gestohlenen Silberbecher, von dem ein wunderbares, gralähnliches Leuchten ausging. Von frommen Händen geborgen, wurde der herrliche Silberbecher nach Tschenstochau zurückgesandt, und der Ruhm dieser von Gott offensichtlich bevorzugten Quelle wuchs immer mehr. Als man mit dem heiligen Wasser einen Versuch machte, da wurden auch die noch zwei­felnden Herzen überzeugt. Denn Fieber­leidende und Augenkranke wurden unmittelbar nach Benetzung mit dem Quell­wasser in wunderbarer Weise geheilt.

Das war dem damals in Ujest amtierenden Vikar Gregor Janas, der nach damaliger Gewohnheit im Ne­benberuf das Schreiner­handwerk ausübte, Anlass genug, um an diesem heili­gen Orte eine hölzerne Ka­pelle zu errichten, die etwa 150 Personen Platz bot. Über dem unversiegbaren, wohltätigen Quell erhob sich ein Altar mit einem lieblichen Marienbild da. Das Jahr 1749 ist das Entstehungsjahr der schlichten Kapelle, die von nah und fern viel und gern besucht wurde. Niemand verließ sie, ohne nicht ein Scherflein in den Opferkasten gelegt zu haben.

Der vom Ujester Stadtgeistlichen verwaltete Schatz wuchs alljährlich und erreichte 1856 den Betrag von fünftausend Talern. Da der Zustrom der Pilger immer größer und die Kapelle erheblich bau­fällig und morsch wurde, beschloss Pfarrer Möser den Neubau einer Kirche von Stein an dieser Gnadenstätte. Die Bitte um eine Bauspende an das religiöse oberschlesische Volk fand in so reichem Maße Widerhall, dass der 1858 vom Baumeister Heintze be­gonnene Bau bereits vier Jahre später seiner Bestimmung übergeben werden konnte. Sein damaliges Aussehen hat das einfache Gotteshaus bis auf den heutigen Tag bewahrt. An das von Spitzbogen durchbrochene Hauptschiff schließt sich nördlich die Marienkapelle Mit ihrem wun­dersamen Quell an. Hier nähert man sich, die Knie ehrfürchtig gebeugt, dem Brunnen, um sein heilkräftiges Wasser zu schöpfen. In der nördlichen Ecke des ein­gefriedeten Kirchhofes wohnt in einem altertümlichen Blockhaus der getreue „Ekart“ der Kirche, der Einsiedler Kaspar Knossalla, der seit langen Jahren das Gotteshaus betreut.

Das ganze Jahr über liegt der Gnadenort still und verlassen und wird nur dann und wann von frommen Betern aufge­sucht. Aber an einem Tage im Sommer erwacht die Kirche aus ihrem Dorn­röschenschlaf. Schon in der Herrgottsfrühe des ersten Julisonntags strömt das Landvolk aus den Kreisen Groß Strehlitz, Cosel, Ratibor, Oppeln hier zusammen; auch aus dem Industriegebiet sind es nicht wenige, die das Brünnel-Ablassfest kein Jahr versäumen; gegen 20.000 Wallfahrer bevölkern die geräumigen, schmucklosen und mit nur wenigen Bänken versehenen Kirchenhallen und den weiten Friedhof, wo dann die auf dem Rasen sitzende und atemlos lauschende Menge die Predigt aus dem Munde eines Franziskanerpaters anhört.


Ansiedlungsrecht für Deutsche und Gastsiedler auf bischöflichem Gebiet in Ujest

Ansiedlungsrecht für Deutsche und Gastsiedler auf bischöflichem Gebiet in Ujest

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